Mein Freund Tommy ist Fahrlehrer. Und zwar ein richtig Guter. Also hat er auch gut zu tun; so wie ich. Für gemeinsame Unternehmungen bleibt wenig Zeit. Aber wenigstens Telefonieren sollte dann und wann sein. Da aber auch Nacht- und Autobahnfahrten geschult werden müssen, kommt es vor, dass ihn auch Anrufe am späten Abend oder am Wochenende in seinem Fahrschulwagen erreichen. Freisprechanlage hin oder her; der Fahrschüler muss ja nicht alles mitbekommen. Doch pflichtbewusst, wie mein Freund ist, wird das Mobiltelefon von ihm dennoch nicht „aufgenommen“ (§ 23 Abs. 1a S. 1 StVO). Obwohl er das darf. Sagt sogar der Bundesgerichtshof (BGH).
Der BGH hatte nämlich jüngst über den Fall eines Fahrlehrers zu entscheiden, der sich nicht so zurückhaltend wie besagter Freund verhielt. Während einer Ausbildungsfahrt telefonierte er mit dem Handy am Ohr, während sein durchaus schon geübter Fahrschüler den Fahrschulwagen durch den Stadtverkehr lenkte. Und es kam, wie es kommen musste, damit daraus überhaupt ein Fall werden konnte, der dann über mehrere Instanzen die Justiz beschäftigte. Eine Polizeistreife wurde auf das Geschehen im Fahrschulwagen aufmerksam und es kam zur Anzeige gegen den Fahrlehrer wegen verbotswidriger Benutzung eines Mobiltelefons. Es erging ein entsprechender Bußgeldbescheid, gegen den der Fahrlehrer Einspruch einlegte, so dass es zur Verhandlung vor dem örtlich zuständigen Amtsgericht kam, welches den Fahrlehrer verurteilte. Die entscheidende Frage, ob es sich bei einem die Ausbildungsfahrt eines Fahrschülers begleitenden Fahrlehrer gleichsam um den Führer des Fahrzeugs handelt, hatte das Amtsgericht ohne weiteres bejaht. Damit wollte sich der verurteilte Fahrlehrer keineswegs abfinden. Gegen das Urteil wurde Rechtsbeschwerde eingelegt, und so kam der Fall zum örtlich zuständigen Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe.
Das OLG Karlsruhe stellte fest, dass es nicht das erste Obergericht war, das über einen solchen Fall zu entscheiden hatte. Hochdotierte Oberrichter in Düsseldorf und Bamberg hatten ihre Urteile bereits gesprochen; und zwar völlig gegensätzlich. Also musste die Sache zum BGH. Dem stellten die Karlsruher Richter folgende Frage: „Ist ein Fahrlehrer, der als Beifahrer während einer Ausbildungsfahrt neben einem Fahrschüler sitzt, dessen fortgeschrittener Ausbildungsstand zu einem Eingreifen in der konkreten Situation keinen Anlass gibt, Führer des Kraftfahrzeuges im Sinne des § 23 Abs. 1a Satz 1 StVO?“
Und damit die Amts- und Oberlandesgerichte künftig einheitlich zu beurteilen wissen, wer oder was ein Fahrzeugführer ist, gibt es von den Bundesrichtern nicht etwa nur ein knappes „ja“ oder „nein“, sondern eine mehrseitige Begründung, deren Kernstück eine Definition ist, die es wert ist, vollständig zitiert zu werden: „Führer eines Kraftfahrzeugs ist, wer es unter bestimmungsgemäßer Anwendung seiner Antriebskräfte unter eigener Allein- oder Mitverantwortung in Bewegung setzt oder unter Handhabung seiner technischen Vorrichtungen während der Fahrtbewegung durch den öffentlichen Verkehrsraum ganz oder wenigstens zum Teil lenkt. Der Täter muss sich selbst aller oder wenigstens eines Teiles der wesentlichen Einrichtungen des Fahrzeugs bedienen, die für seine Fortbewegung bestimmt sind. Daher schließt es die Fahrzeugführereigenschaft zwar nicht aus, wenn mehrere Personen sich die Bedienung der notwendigen Funktionen teilen (in einem solchen Fall können beide als Fahrzeugführer anzusehen sein). Wer dagegen nicht einmal einen Teil der wesentlichen Einrichtungen des Fahrzeugs bedient, führt dieses im maßgeblichen Zeitpunkt nicht.“
Danke, BGH! Tommy, lass uns mal wieder telefonieren.