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Amtsgericht Andernach

Wenn die Existenz eines Mandanten bedroht ist, muss der Verteidiger auch schon mal lange Wege auf sich nehmen. Zum Amtsgericht Andernach waren es sechshundert Kilometer. Weiterlesen

Ramsauer rudert zurück

Die Kritik an den Plänen aus dem Hause des Bundesverkehrsministers, Ordnungswidrigkeiten und Verkehrsstraftaten zukünftig gleichermaßen mit einem bzw. zwei Punkten zu bewerten, zeigt Wirkung. Im Ministerium wird über eine stärkere Differenzierung nachgedacht.

Unter dem Titel „Einfacher – aber auch besser?“ war auch von dieser Stelle aus die geplante Neuordnung des Punktesystems kritisiert worden, weil damit dem bei Ordnungswidrigkeiten im Gegensatz zu Verkehrsstraftaten bestehenden Unterschied hinsichtlich des Handlungsunrecht zu wenig Rechnung getragen wird. Die dem Bundesverkehrsministerium vorgetragene Kritik ist nicht ohne Folgen geblieben.  Statt nach dem bislang noch geltenden Punktesystem, welches eine Bewertung von Bußgeldentscheidungen und Strafurteilen von ein bis sieben Punkten vorsieht, soll nun ein Drei-Punkte-System eingeführt werden. Mit der maximalen Punktzahl würden dann Verkehrsstraftaten wie beispielsweise Trunkenheitsfahrten, Nötigung, unerlaubtes Entfernen vom Unfallort fallen. Auf dem von Ramsauer der Öffentlichkeit in der Manier eines Vorschullehrers vorgestellten „Punkte-Tacho“ soll dann aber auch schon ab drei Punkten die gelbe Warnstufe erreicht sein. Wer drei Punkte erreicht, was natürlich auch schon infolge zweier unbedeutenderer Ordnungswidrigkeiten der Fall sein kann, wird durch die Fahrerlaubnisbehörde ermahnt. Beim bisherigen Maßnahmenkatalog soll es bleiben.

Irgendwann muss ja mal Schluss sein!

Eintragungen in dem beim Kraftfahrtbundesamt (KBA) in Flensburg geführten Verkehrszentralregister (VZR) unterliegen der Tilgung. Nach Ablauf bestimmter, gesetzlich festgelegter Fristen sind sie zu löschen. Aber auch schon vor ihrer Löschung dürfen Eintragungen gegen die sie betreffenden Fahrerlaubnisinhaber nicht uneingeschränkt verwendet werden. Die Regelungen dazu sind im Straßenverkehrsgesetz (StVG) zu finden. Zu verstehen sind sie nicht immer gleich. Und so fühlt sich manche Fahrerlaubnisbehörde verleitet, die Wirkungen von Registereintragungen zu Lasten der Betroffenen auszudehnen; weit über das gesetzlich Erlaubte hinaus.

Beispielsweise unterliegen die Eintragungen wegen mancher strafgerichtlicher Entscheidungen zwar einer zehnjährigen Tilgungsfrist. Berücksichtigt werden dürfen diese Eintragungen aber nur insoweit, als es um die Entziehung oder Erteilung einer Fahrerlaubnis geht. Nun war eine im Zuständigkeitsbereich des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Sachsen-Anhalt ansässige Fahrerlaubnisbehörde auf die Idee gekommen, gegen einen Fahrerlaubnisinhaber die Teilnahme an einem so genannten Aufbauseminar anzuordnen. Im entsprechenden Bescheid führte die Behörde aus, dass der Betroffene insgesamt vierzehn Punkte erreicht habe.

Bei ihrer Rechnung berücksichtigte die Behörde allerdings auch sieben Punkte aus einer strafgerichtlichen Verurteilung wegen Anstiftung zu einer Trunkenheitsfahrt, die immerhin schon knapp sechs Jahre zurücklag, als die Anordnung zur Teilnahme an einem Aufbauseminar erging. Dabei ist das Gesetz anders zu verstehen. Man muss sich allerdings der Mühe unterziehen, den Paragraphen bis zum achten Absatz aufmerksam zu lesen. Dann ist es gar nicht so schwer. Eintragungen wie die hier in Rede stehende werden zwar erst nach zehn Jahren getilgt. Aber schon nach fünf Jahren dürfen sie nur noch für Entscheidungen der Fahrerlaubnisbehörde über Entziehung oder Erteilung einer Fahrerlaubnis herangezogen werden.

Die Behörde zeigte sich bei der Anwendung des Gesetzes kreativ und argumentierte, dass die Anordnung zur Teilnahme an einem Aufbauseminar ja in gewisserweise zur Vorbereitung der Entziehung diene; im Sinne einer Vorstufe. Das in erster Instanz angerufene Verwaltungsgericht ließ sich davon noch beeindrucken. Das OVG entschied in zweiter Instanz für den Führerscheininhaber und kassierte die Anordung der Behörde.

Einfacher – aber deshalb auch besser?

Vor allem einfacher soll es werden. So wurden die Pläne aus dem Hause des Bundesverkehrsministers, den Bußgeldkatalog und das Fahrerlaubnisrecht reformieren zu wollen, schon vor Wochen in den Medien angekündigt. Heute soll es nun so weit sein. Herr Ramsauer wird der Öffentlichkeit eröffnen, was ein Stab an hochdotierten Staatssekretären und wissenschaftlichen Mitarbeitern ersonnen hat, um den Namen des bislang nicht gerade durch aufregende Ideen zur Verkehrspolitik in Erscheinung getretenen CSU-Ministers rechtzeitig vor den nächsten Bundestagswahlen in die Schlagszeilen zu bringen. Aber ist das denn nötig – den Bußgeldkatalog zu vereinfachen? Was war denn bisher angeblich so kompliziert daran?

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Ein mal zwei macht sechs?

Sechs Punkte? Weil zweimal hintereinander geblitzt? In der Regel schon. Aber auf einer Fahrt? Kommt drauf an. Worauf?

Auf den unmittelbaren zeitlich-räumlichen Zusammenhang. Wie er sich beispielsweise bei einer Fahrt auf der A9 ergeben kann. Auf dem durch Thüringen verlaufenden Teilstück sind in dichter Folge Verkehrsüberwachungsanlagen installiert, mit denen die Einhaltung der Geschwindigkeitsbeschränkung überwacht werden. Wer hier von einem Blitzer in den nächsten fährt, könnte während einer einzigen Fahrt sein Punktekonto in Flensburg so beträchtlich erhöhen, dass er am Ziel seiner Reise gewissermaßen ohne Fahrerlaubnis ankommt. Jedenfalls, wenn man die strenge Rechtsprechung der Oberlandesgerichte zugrunde legt, wonach in der Regel die einzelnen Verkehrsverstöße im Verhältnis der sogenannten Tatmehrheit zueinander stehen. Das heißt: Es liegen mehrere Taten vor, und jede wird mit entsprechender Sanktion nach dem Bußgeldkatalog geahndet.

Eine Ausnahme von dieser Regel hat jüngst das örtlich zuständige Amtsgericht Suhl angenommen. Im Fall eines Autofahrers, der innerhalb von zehn Kilometern mit nahezu gleich hoher Geschwindigkeit mehrmals geblitzt worden war, ging das Gericht von einem unmittelbaren zeitlich-räumlichen Zusammenhang zwischen beiden Geschwindigkeitsverstößen aus. Eine diesen Zusammenhang auflösende Verkehrssituation konnte das Gericht im Nachhinein nicht feststellen.

Amtsgericht Neuruppin

Wegen des Vorwurfs, als Führerin ihres PKW auf der A24 verbotswidrig mit einem Handy telefoniert zu haben, war gegen meine Mandantin ein Bußgeldbescheid ergangen. Die Voreintragungen im Verkehrszentralregister (VZR) mit insgesamt fünfzehn Punkten hatten zu einer Erhöhung der Geldbuße geführt. Meine Mandantin bestritt den Vorwurf. Weitere Punkte in Flensburg konnte sie sich auf gar keinen Fall leisten. Also musste gegen den Bußgeldbescheid Einspruch eingelegt werden. Die daraufhin durchzuführende Hauptverhandlung fand heute vor dem örtlich zuständigen Amtsgericht Neuruppin statt.

Zunächst wurde das Video angeschaut, das mit einem Verkehrsüberwachungsgerät des Typs PROVIDA aufgezeichnet worden war. Die schlechte Qualität der Aufnahme ließ keine Erkenntnisse zu dem gegen meine Mandantin erhobenen Vorwurf zu. Von einem Mobiltelefon war nichts zu sehen. Also wurde der Polizeibeamte vernommen, der das Gerät bedient hatte. Von diesem Zeugen war auch nicht mehr zu erfahren. Unter welchen Voraussetzungen üblicherweise von ihm Anzeigen geschrieben werden, wusste er zu berichten. Aber an den konkreten Fall hatte er keinerlei konkrete Erinnerung mehr. Bei dieser dünnen Beweislage sah sich das Gericht veranlasst, meinem Antrag auf Einstellung des Verfahrens zu folgen. Also: Keine Geldbuße, keine Eintragung, keine Punkte.

Amtsgericht Neuruppin, Karl-Marx-Straße 18a, 16816 Neuruppin,

N52 55.633 E12 48.506


Amtsgericht Nauen

Mit einem Radarmessgerät des Typs Traffipax speedophot war die Geschwindigkeit meines Mandanten mit 72 km/h (abzüglich Toleranz) in einer kleinen Ortschaft im Brandenburgischen gemessen worden. Die Ordnungsbehörde erließ gegen ihn einen Bußgeldbescheid, mit welchem eine Geldbuße von 80,- € festgesetzt wurde. Wäre der Bußgeldbescheid rechtskräftig geworden, hätte dies zur Eintragung in das Verkehrszentralregister in Flensburg geführt; bewertet mit 1 Punkt. Den konnte mein Mandant so gar nicht gebrauchen.

Nach Einspruch gegen den Bußgeldbescheid kam es heute zur Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht Nauen. In der Hauptverhandlung stellte sich heraus, dass berechtigte Zweifel daran bestehen, dass die Messung ordnungsgemäß durchgeführt worden war. Diese Zweifel gaben dem Gericht Anlass genug, die Geldstrafe zu reduzieren; nämlich auf 35,- € und damit unterhalb der Eintragungsgrenze. Also: Keine Punkte in Flensburg!

Amtsgericht Nauen, Paul-Jerchel-Str. 9, 14641 Nauen;

N52 36.224 E12 52.562


Amtsgericht Strausberg

Die Anklage lautet auf Beleidigung und Nötigung im Straßenverkehr. Der Vorsitzende Richter hat den Termin für die Hauptverhandlung auf morgens 08:00 Uhr angesetzt. Wenige Stunden zuvor bricht der Winter über Berlin und Brandenburg herein. Ich plane zwei Stunden Fahrtzeit ein; zu wenig. Alle Straßen sind dicht und es geht kaum vorwärts. Aber eben nicht nur für mich.

Viel zu spät, aber zur selben Zeit wie der Richter betrete ich den Verhandlungssaal. Eigentlich müsste schon die nächste für diesen Tag angesetzte Verhandlung aufgerufen werden. Das sind die Situationen, in denen man auch die ganz dicken Kühe vom Eis bekommt. Mit Staatsanwalt und Richter werde ich schnell einig: Das Verfahren gegen meinen Mandanten wird gegen Zahlung einer Geldbuße von 300,00 € eingestellt. Keine Vorstrafe, keine Eintragung, keine Punkte, kein Fahrverbot. Und mein Mandant ist glücklich. Eis und Schnee können so schön sein. Man muss sich nur halt trotzdem auf den Weg machen.

Amtsgericht Strausberg, Klosterstraße 13, 15344 Straußberg;

N52 34.871 E13 52.792


Erhöhung der Geldbuße wegen Voreintragungen?

Wer in Flensburg bereits mit Punkten belastet ist, muss im Falle einer erneuten Verkehrsordnungswidrigkeit mit einer Erhöhung der Geldbuße rechnen. Es sei denn, die Eintragung im Verkehrszentralregister war bereits zur Tilgung reif, als der neue Verstoß begangen wurde. Denn in Flensburg eingetragene Entscheidungen, die älter als zwei Jahre und auch tilgungsreif sind, dürfen bei der Ahndung eines neuen Verstoßes nicht mehr berücksichtigt werden. Dieses sogenannte Verwertungsverbot ergibt sich aus § 29 Abs.3 S. 1 StVG. Aber wie wirken sich Punkte aus, die zwar erst nach der neuen Ordnungswidrigkeit aber vor deren Ahndung tilgungsreif werden?

Maßgeblich ist der Zeitpunkt der Ahndung. Findet nach Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid eine Verhandlung vor dem Amtsgericht statt, so kommt es auf das Datum an, zu dem die Hauptverhandlung durchgeführt wird. Ist hinsichtlich der Voreintragungen bis dahin Tilgungsreife eingetreten, dürfen sie bei der Bemessung der Geldbuße nicht mehr herangezogen werden.

Es kann sich also schon aus diesem Grunde lohnen, gegen einen Bußgeldbescheid auf jeden Fall Einspruch einzulegen.