Zum Invaliden ohne Unfall

Unfallversicherungen werden in der Erwartung abgeschlossen, im Falle einer durch einen Unfall verursachten Invalidität vor den damit einhergehenden finanziellen Risiken geschützt zu sein. Versicherungsnehmer, die sich über die Bedeutung des Begriffs „Unfall“ falsche Vorstellungen machen, könnten im Ernstfall eine bittere Enttäuschung erleben.

So wie der nach einer Hirnblutung linksseitig gelähmte Haustechniker, dessen Klage auf Invaliditätsentschädigung gegen seinen Unfallversicherer jüngst durch das Oberlandesgericht (OLG) Hamm abgewiesen wurde. Die Begründung, auf die der Senat in der Berufungsinstanz seine Entscheidung stützte, stärkt einmal mehr die Versicherungswirtschaft. Es ist zu erwarten, dass Unfallversicherer das Urteil gern auf ähnlich gelagerte Fallkonstellationen anwenden und Versicherungsleistungen versagen werden.

Aber was war passiert? Der Fall ist schnell geschildert. Der Haustechniker eines Schwimmbades hatte schwere, mit Chlor gefüllte Kanister zu tragen. Als Folge der Anstrengung platzten Gefäße im Gehirn des Mannes. Die einsetzende Hirnblutung führte zu einer übermäßigen Kompression des Gehirns, was letztendlich zu einer vollständigen Lähmung der linken Körperhälfte führte. Die daraus resultierende Invalidität ihres Versicherungsnehmers konnte der Unfallversicherer nicht in Abrede stellen. Stattdessen wurde in Zweifel gezogen, dass dem Versicherungsnehmer ein Unfall widerfahren sei. Dass der Versicherungsnehmer beim Anheben der schweren Last, die die Chlorkanister bildeten, eine Hirnblutung erlitt, mag traurig sein, aber nach Auffassung des Versicherers sei eben kein Unfall im Sinne des durch die Unfallversicherung abgesicherten Risikos dafür ursächlich geworden.

Gemäß der Definition in § 178 Abs. 2 S. 1 VVG liegt ein Unfall vor, wenn die versicherte Person durch ein plötzlich von außen auf ihren Körper wirkendes Ereignis unfreiwillig eine Gesundheitsschädigung erleidet. Es mag ja sein, so bemühte sich der Versicherer um eine Erklärung für die Versagung des Versicherungsschutzes, dass der Versicherungsnehmer unfreiwillig eine Gesundheitsschädigung erlitten habe. Aber doch nicht durch ein von außen auf seinen Körper wirkendes Ereignis. Das Anheben der schweren Kanister und die Wirkung ihrer Last auf den Körper des Mannes wollte der Versicherer nicht als ein solches Ereignis gelten lassen.

Das OLG Hamm nahm den Ball auf und interpretierte das „Unfallereignis“ mit Hilfe von Begriffen, die man im Gesetz vergeblich suchen wird. Im Leitsatz der Entscheidung liest sich das so: „An einem von außen auf den Körper wirkenden Ereignis (…) fehlt es, wenn die erlittene Gesundheitsschädigung allein auf eine plangemäß ausgeführte und von außen ungestörte Kraftanstrengung der versicherten Person zurückzuführen ist.“ Entsprach es also dem Plan des mit dem Versicherer um Invaliditätsentschädigung kämpfenden Versicherungsnehmers, unter dem Eindruck des Gewichts der von ihm zu hebenden Last, das Zerreißen von Gefäßwänden zu erleiden? Oder wollen die Oberrichter dahingehend verstanden werden, dass die Kraftanstrengung des Klägers ja nicht durch das Gewicht der Last sondern letztendlich nur durch die Reaktion seiner Gefäßwände darauf gestört wurde?

Der Vergleich mit der bisherigen Rechtsprechung macht das Problem deutlich. So hat beispielsweise der Bundesgerichtshof (BGH) das Ertrinken eines Menschen als Unfall gewertet. Das Eindringen des Wassers in die Lunge als das äußere Ereignis; und zwar ganz unabhängig davon, ob das Untersinken im Wasser auf das Versagen der Kräfte oder auf einen Muskelkrampf zurückzuführen ist. Einer ganzen Reihe von Sportverletzungen würde aber nach der Entscheidung des OLG Hamm als Ursache ein von außen wirkendes Ereignis fehlen, so dass sie versicherungsrechtlich nicht mehr als Unfallfolge zu behandeln wären. Die Versicherungswirtschaft wird es begrüßen.