Grundsätzlich ja, aber …

Auch das Amtsgericht Bremen hatte sich in diesem Jahr mit der Frage zu beschäftigen, ob die Vollstreckung mehrerer Fahrverbote aus verschiedenen Bußgeldbescheiden nacheinander oder gleichzeitig zu erfolgen hat. Mit gewissen Einschränkungen erklärt auch das AG der Hansestadt den Parallelvollzug zur Regel.

In dem durch das AG Bremen entschiedenen Fall waren gegen den Betroffenen zwei Bußgeldbescheide ergangen, mit denen jeweils ein Fahrverbot für die Dauer von einem Monat angeordnet worden war. Hinsichtlich eines dieser beiden Fahrverbote war dem Betroffenen Vollstreckungsaufschub gewährt worden. Er sollte also mit der Vollstreckung des Fahrverbots erst spätestens vier Monate nach Eintritt der Rechtskraft des Bußgeldbescheides beginnen müssen. Hinsichtlich des im zweiten Bußgeldbescheid angeordneten Fahrverbots war ihm ein solcher Aufschub hingegen nicht gewährt worden.

Das Amtsgericht hatte nun zu entscheiden, ob es der Betroffene in solchen sogenannten Mischfällen durch die koordinierte Rücknahme der Rechtsmittel in der Hand haben soll, einen Parallelvollzug herbeizuführen, und sich gewissermaßen selbst einen von zwei Monaten Fahrverbot zu ersparen. Das Gericht sah keine gesetzlichen Gründe, die gegen die Rechtmäßigkeit einer solchen Verfahrensweise sprechen. Nur für den Fall, dass beide Fahrverbote mit Vollstreckungsaufschub angeordnet worden wären, hätte der Fall nach Auffassung des Gerichts anders bewertet werden müssen.

Für den Betroffenen ein befriedigender Ausgang des Verfahrens. Ob sich aber die Auffassung des Gerichts auf Dauer durchsetzen wird, ist fraglich. Denn Fälle, in denen für mehrere Fahrverbote innerhalb von zwei Jahren Vollstreckungsaufschübe gewährt werden, sollte es ja schon nach Gesetzeslage gar nicht geben. Die Sache bleibt kompliziert. Wer in solchen Fällen nicht die Orientierung verlieren will, braucht mit Sicherheit einen auf solche Rechtsfragen spezialisierten Experten.

Aus Drei mach Eins

Drei Bußgeldbescheide, mit denen jeweils ein Fahrverbot für die Dauer eines Monats angeordnet wurde, also insgesamt drei Monate Fahrverbot in nur einem Monat erledigen? Einmal für einen Monat den Führerschein abgeben und damit die Fahrverbote aus drei Bußgeldbescheiden vollstrecken? Geht das? Wenn man das Gesetz liest (§ 25 Abs. 2a S.2 StVG) mag man zweifeln. Doch das Amtsgericht Meißen meint, man sollte das Gesetz mal genauer lesen. Und dann geht das schon; die sogenannte Parallelvollstreckung.

Gegen den Betroffenen waren drei Bußgeldbescheide erlassen worden; einer im April, einer im August und einer im September. Mit jedem der drei Bußgeldbescheide wurde gegen ihn ein jeweils einmonatiges Fahrverbot angeordnet. Und gegen jeden Bußgeldbescheid wurde Einspruch eingelegt, so dass alle drei Verfahren zum örtlich zuständigen Amtsgericht Meißen gelangten. Dort wurden die Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden. In der Hauptverhandlung wurden alle drei Bußgeldbescheide zur selben Zeit rechtskräftig.

Den Antrag des Betroffen, alle drei Monate Fahrverbot auf einmal, also innerhalb eines Monats parallel zu vollstrecken, lehnte die Behörde, die die Bußgeldbescheide erlassen hatte, Kopf schüttelnd ab. „Wo kommen wir denn da hin?“ Das daraufhin erneut zur Entscheidung angerufene Amtsgericht Meißen fragte sich stattdessen: „Wie kommen wir dahin?“ Und las das Gesetz und die seither zur Frage der Vollstreckungsreihenfolge bei Fahrverboten ergangenen Entscheidungen anderer Gerichte noch einmal ganz genau. Und kam zu folgendem Ergebnis:

„Die Fahrverbote aus den drei Bußgeldbescheiden sind nebeneinander, das heißt parallel zu vollstrecken. Ob bei mehreren Fahrverboten aus verschiedenen Bußgeldbescheiden die Vollstreckung nacheinander oder gleichzeitig zu erfolgen hat, ist in der Rechtsprechung strittig. In diversen veröffentlichen Entscheidungen wurde auf alle möglichen und nur denkbaren Varianten der Nacheinander- oder Parallelvollstreckung erkannt. Nach hiesiger Auffassung sind Fahrverbote aus Bußgeldentscheidungen, die wegen gleichzeitiger Zurücknahme von Einsprüchen, zum Beispiel in verbundenen Verfahren, parallel rechtskräftig werden, auch parallel zu vollstrecken. Dies gilt – wie hier – auch dann, wenn dem Betroffenen jeweils (…) die Möglichkeit eingeräumt worden ist, innerhalb von vier Monaten den Zeitraum der Vollstreckung selber zu wählen. § 25 Abs. 2a S. 2 StVG steht dem nicht entgegen, denn er meint diese Fälle nicht. Bereits der Wortlaut ist auf den vorliegenden Fall unpassend. Gemäß § 25 Abs. 2 a Satz 2 StVG sind die Fahrverbotsfristen nacheinander, und zwar in der Reihenfolge der Rechtskraft der Bußgeldentscheidung zu berechnen, wenn gegen den Betroffenen nach einem bereits rechtskräftig angeordneten Fahrverbot weitere Fahrverbote rechtskräftig verhängt werden. Diese Formulierung setzt verschiedene Rechtskrafttermine voraus und erfasst somit nicht Fälle, an denen Bußgeldentscheidungen gleichzeitig, das heißt an einem Tag, rechtskräftig werden.“

Na bitte, geht doch!

Am Mittwoch früh um halb acht klingelt mein Notruftelefon. Einer meiner Mandanten berichtet aufgeregt, dass ein Polizeibeamter vor seiner Haustür steht und die Herausgabe seines Führerscheins fordert. Ein Fahrverbot soll vollstreckt werden. Ich beruhige den Mandanten und will den Polizeibeamten sprechen, um ihn darüber aufzuklären, dass seine Maßnahme rechtswidrig ist. Der will gar nicht erst mit mir reden. So kann man sich der richtigen Erkenntnis auch entziehen. Also  rasch in die Kanzlei und ein Schreiben an die Ordnungsbehörde raus, die im Wege der Amtshilfe den Beamten des Polizeipräsidium Potsdam losgeschickt hat, ihre Beschlagnahmeanordnung zu vollziehen.

So wird die Behörde aufgeklärt: Die Anordnung der Beschlagnahme ist rechtswidrig. Denn der Bußgeldbescheid, durch den das Fahrverbot angeordnet wurde, ist noch nicht rechtskräftig. Dagegen wurde von mir nämlich fristgerecht Einspruch eingelegt. Dass der Mandant bereits die Geldbuße gezahlt hat, ändert daran nichts. Also ist der Führerschein sofort wieder herauszugeben. Der Behörde setze ich eine Frist von zwei Stunden. Für den Fall, dass die nicht eingehalten wird, kündige ich für meinen Mandanten die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen an. Taxifahren ist nicht ganz billig.

Kurz vor Ablauf der Frist meldet sich eine Sachbearbeiterin der Ordnungsbehörde. Ich möge doch bitte noch etwas Geduld haben. Die Sache müsse dem Amtsleiter vorgelegt werden. Und der komme erst in einer Stunde. Nach Ablauf der verlängerten Frist meldet sich nun der Amtsleiter. Drückt sein Bedauern aus. Was die Sachbearbeiterin da gemacht habe, verstehe er auch nicht. Selbstverständlich werde er die Polizeidienststelle, bei der der Führerschein meines Mandanten derzeit liege, sofort anweisen, diesen an meinen Mandanten herauszugeben. Und dann wolle sie – die Behörde – den Vorgang, wie vom Gesetz vorgesehen, zur weiteren Veranlassung an die Staatsanwaltschaft weiterleiten. Ich kläre ein weiteres mal auf. Nunmehr darüber, dass hinsichtlich des mit dem Bußgeldbescheid erhobenen Vorwurfs inzwischen Verfolgungsverjährung eingetreten ist. Die Abgabe an die StA kann sich die Ordnungsbehörde also getrost sparen. Mein Gesprächspartner sagt Prüfung zu und wir beenden das Gespräch, ohne zu versäumen, uns gegenseitig einen angenehmen Buß- und Bettag zu wünschen. Heute nun dieses Schreiben in der Post.

Bundesverfassungsgericht hält weiter gegen!

Mittlerweile zum dritten Mal sieht sich das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) veranlasst, in Sachen „Blutentnahme beim Verdacht auf Trunkenheitsfahrt“ auf die Einhaltung des Gesetzes zu pochen. Trotz der grundlegenden und eindeutigen Entscheidungen der Verfassungshüter aus den Jahren 2007 und 2008 hat die polizeiliche Praxis kaum eine den Vorgaben des BVerfG gerecht werdende Änderung erfahren. Land auf Land ab ordnen Polizeibeamte nach wie vor wegen angeblicher Gefahr im Verzuge Blutentnahmen gegenüber wegen einer Trunkenheitsfahrt verdächtigen Fahrzeugführern an, ohne sich zuvor um eine richterliche Anordnung zumindest bemüht zu haben.

Die Umgehung des gesetzlich geregelten Richtervorbehalts (§ 81 a Abs. 1 StPO) wird häufig damit gerechtfertigt, dass außerhalb der üblichen Dienstzeiten der Gerichte so wie so kein Richter zu erreichen sei, dem die Frage, ob eine Blutentnahme durchgeführt werden darf, vorgelegt werden könne. Mit dieser Begründung wird dann immer wieder darauf verzichtet, auch nur einen entsprechenden Versuch zu unternehmen. Das Bundesverfassungsgericht beanstandet in seiner jüngsten Entscheidung, dass gar nicht erst geklärt wird, ob tatsächlich kein Richter zu erreichen war, bevor die Anweisung eines Staatsanwaltes eingeholt wurde.

Damit stellt sich das BVerfG gegen eine Entscheidung des Oberlandesgericht (OLG) Brandenburg, welches die Auffassung vertritt, dass das Gesetz eine solche stufenweise Vorgehensweise nicht verlangen würde. Die Verfassungsrichter gehen sogar noch weiter. Die Umstände, auf die die Polizei ihre Annahme stützt, der mit der Einschaltung  eines Richters verbundene zeitliche Aufwand gefährde den Untersuchungszweck, müssen in der Ermittlungsakte überprüfbar dokumentiert werden.

Die Auseinandersetzung um die richtige Anwendung des Gesetzes geht mit der jüngsten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in die nächste Runde. Den Betroffenen ist zu raten, einer Anordnung der Blutentnahme durch Polizei oder Staatsanwaltschaft zu widersprechen und keine Einwilligung zu erklären. Dazu ist es nicht erforderlich, sich der Maßnahme zu widersetzen. Beugt sich der Betroffene der Androhung körperlichen Zwangs, bleibt der zuvor erklärte Widerspruch dennoch wirksam. Blaue Flecke und eine Anzeige wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte sollten nicht riskiert werden.

Entzug der Fahrerlaubnis wegen Besitz von Marihuana

Zwar spricht das Gesetz in Gestalt der Fahrerlaubnisverordnung (FeV) von Konsum von Cannabis und nicht lediglich von dessen Besitz, wenn es um die Frage geht, ob vom Umgang mit bestimmten Drogen auf Mängel an der Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen geschlossen werden kann. Dennoch sind die Fahrerlaubnisbehörden dazu übergegangen, schon den Besitz von Marihuana oder Haschisch zum Anlass zu nehmen, an der Fahreignung zu zweifeln und deshalb medizinisch-psychologische Untersuchungen (MPU) anzuordnen. Doch die Argumentation der Behörden kann entkräftet werden.

Eine gesetzliche Grundlage zur Anordnung einer MPU allein wegen gelegentlichen Konsums von Cannabis gibt es nicht. Es müssen schon weitere Tatsachen bekannt sein, die vermuten lassen, dass es sich eben doch nicht nur um gelegentlichen sondern um regelmäßigen Konsum von Cannabis handelt. Ein solches Verdachtsmoment (Indiez) soll nach Auffassung  mancher Fahrerlaubnisbehörden beispielsweise vorliegen, wenn der Fahrerlaubnisinhaber eine Menge an Cannabis besitzt, die nicht mehr für einen nur gelegentlichen Konsum bestimmt zu sein scheint.

Über einen Zeitraum von zwei Monaten fünf Joints pro Woche werden als regelmäßiger Konsum bewertet. Bisweilen wird ein solches Konsumverhalten schon ab einer Menge von 9 g Mariuhana unterstellt. Solche Unterstellungen allein auf der Grundlage von gewagten Rechenoperationen sind zu widerlegen. Von maßgeblicher Bedeutung ist in diesem Zusammenhang, über welchen Wirkstoffgehalt (THC) die festgestellte Besitzmenge verfügte. Und eine Regel, wonach pro Tag nur eine Konsumeinheit verbraucht wird, so dass eine Streckung der Menge über einen Zeitraum von zwei Monaten möglich ist, existiert auch nicht.

Weinen oder Lachen?

Fassungslosigkeit oder Erleichterung? Empörung oder Genugtuung? Fassungslosigkeit und Empörung darüber, dass ein Berliner Amtsrichter elementare Grundregeln des Prozessrechts missachtet, oder Erleichterung und Genugtung darüber, dass das Kammergericht das auf dieser Missachtung des Rechts beruhende Urteil aufgehoben hat?

Ungläubiges Staunen darüber, dass ein Richter die Anwendung der auf Verfassungsrecht beruhenden Verteidigungsrechte von Betroffenen und Angeklagten als lästige Ungehörigkeiten empfindet, oder Belustigung darüber, mit welcher Ungeschicklichkeit diese rechtsfeindliche Haltung in der schriftlichen Urteilsbegründung offenbart und damit belegt wird? Welche Empfindung beherrscht die Reaktion eines Strafverteidigers, wenn ein Urteil, mit dem die Verdoppelung der Regelbuße gegen seinen Mandanten unter anderem damit begründet wurde, der Betroffene habe mit seinem Schweigen in der Hauptverhandlung den Versuch unternommen, die Aufklärung des Falles zu verhindern, in der Rechtsbeschwerde aufgehoben wird? Verärgerung darüber, dass Richter mit dieser Einstellung zu den Rechten von Betroffenen und Beschuldigten Recht sprechen, oder Erleichterung darüber, dass die Überprüfung durch das übergeordnete Kammergericht zur Wahrung des Rechts führte?

Zumindest ist die Freude nicht ungetrübt. Das Kammergericht vermag nur jene Urteile zu prüfen, die ihm zur Prüfung vorgelegt werden. In Bußgeldsachen erfolgt diese Vorlage zur Prüfung mit der Rechtsbeschwerde und bisweilen mit dem Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde. Ein ausgesprochen kompliziertes Rechtsmittel, das von Gesetzes wegen ausschließlich durch einen Anwalt begründet werden darf. Aber wie viele Bußgeldverfahren werden von den Betroffenen ohne Verteidiger geführt? Und wie viele Urteile werden gesprochen, die aufgehoben gehören?

Wirksamkeit eines Bußgeldbescheides wegen Drogenfahrt

Wer unter der Wirkung berauschender Mittel wie beispielsweise Cannabis oder Kokain im Straßenverkehr ein Kraftfahrzeug führt, begeht zumindest eine Ordnungswidrigkeit gemäß § 24 a Abs. 2 StVG, die nach der Bußgeldkataklog-Verordnung mit einer Geldbuße und einem Fahrverbot geahndet werden kann. Formelle Voraussetzung für eine solche Sanktion ist, dass der Bußgeldbescheid, mit dem die Geldbuße verhängt und das Fahrverbot angeordnet werden, wirksam ist. Daran kann es aus verschiedenen Gründen fehlen.

Gelegentlich übersehen Ordnungsbehörden, die Bußgeldbescheide erlassen, elementare Voraussetzungen für deren Wirksamkeit. Eine dieser Voraussetzungen ist die hinreichende Konkretisierung der Tat. Die Konkretisierung hat sich naturgemäß am abstrakten Vorwurf des Wortlautes des gesetzlichen Tatbestandes zu orientieren. Aber das Gesetz genau zu lesen, bereitet dem ein oder anderen Behördenvertreter wohl doch ungeahnte Schwierigkeiten.

Im § 24 a Abs. 2 StVG ist ausdrücklich von „Wirkung“ die Rede. Da bekanntermaßen die Wirkung von Drogen erst durch bzw. ab bestimmten Konsummengen erreicht wird, reicht es für die Wirksamkeit eines Bußgeldbescheides nicht aus, wenn es darin lediglich heißt: „… Sie führten ein Kraftfahrzeug unter der Wirkung des berauschenden Mittels …“, ohne dass nicht auch noch die festgestellte Wirkstoffkonzentration mitgeteilt wird.

PoliScan Speed auf dem Vormarsch

Im Hause der Herstellerin, der VITRONIC Bildverarbeitungssysteme GmbH, wird man mit der Entwicklung der obergerichtlichen Rechtsprechung in der ersten Hälfte dieses Jahres zufrieden sein. Aller guten Dinge sind drei, könnte man als Kommentar von dem in Wiesbaden ansässigen Unternehmen erwarten, nachdem nun auch das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt a. M. die Funktionsweise des unter der Bezeichnung PoliScan Speed produzierten Lasermessgerätes als ein sogeanntes standardisiertes Messverfahren anerkannt hat.

Das OLG Düsseldorf hatte mit seinem Beschluss vom 20. Januar 2010 den Reigen eröffnet. Und schon einen Monat später folgte ihm das Berliner Kammergericht (KG). Die Entscheidungen weiterer Obergerichte stehen aus. Die Anerkennung als standardisiertes Messverfahren hat in der täglichen Praxis der in Bußgeldsachen als Verteidiger tätigen Rechtsanwälte erhebliche Bedeutung. Ist ein Messverfahren von der Rechtsprechung als standardisiert anerkannt, wird das damit erzielte Messergebnis durch die Gerichte nur noch sehr eingeschränkt überprüft. Wer sich gegen den Vorwurf, eine Geschwindigkeitsüberschreitung begangen zu haben, mit dem Einwand zur Wehr setzen will, tatsächlich nicht so schnell gefahren zu sein, muss konkrete Umstände vortragen, die das Gericht an der Ordnungsgemäßheit der Messung zweifeln lassen. Ansonsten beschränkt sich das Gericht darauf, die gültige Eichung des Gerätes und die Sachkenntnis des Messbeamten festzustellen. Anlass, das Gutachten eines Sachverständigen zur Überprüfung des Messergebnisses einzuholen, soll nur dann bestehen, wenn es gelingt, konkrete Umstände darzulegen, die geeignet sind, Zweifel an der Zuverlässigkeit der Lasermessung zu stützen. Damit ist der Laie in aller Regel überfordert.

Dabei äußern Fachleute – so die auf dem Gebiet des Verkehrsordnungswidrigkeitenrechts tätige Fachanwälte für Verkehrs- und Strafrecht – seit langem ihre Bedenken hinsichtlich der Verlässlichkeit des Lasermessverfahrens sowohl bei der Bildung des Messwertes als aber auch bei der Zuordnung des Messwertes.  Deshalb sollte sich der von einer Lasermessung Betroffene auf jeden Fall so früh wie möglich durch einen Spezialisten beraten lassen. Erst die gewissenhafte Überprüfung des Sachverhalts an Hand der bei der Ordnungsbehörde geführten Ermittlungsakte kann dazu führen, dass Fehler bei der Anwendung aufgedeckt werden können.

Legal – illegal – Sch*** egal!

So haben das die Richter des ersten Strafsenats des Oberlandesgerichts Hamm selbstverständlich nicht gemeint. Und selbst wenn sie es so gemeint hätten, würden sie es doch nicht so vulgär ausdrücken. Hochdotierte Ober-Richter können das besser: Zwar handelt es sich bei der nicht anlassbezogenen Dauervideoüberwachung sämtlicher sich im fließenden Verkehr befindlicher Verkehrsteilnehmer um einen systematischen Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung der überwachten Personen, der in Ermangelung einer gesetzmäßigen Eingriffsbefugnis verfassungswidrig ist; der Verwertung der durch die rechtswidrigen staatlichen Maßnahmen gewonnenen Erkenntnisse  steht dennoch nichts im Wege.

Alles klar? Nein? Na dann noch mal ganz langsam: Das Verkehrskontrollsystem VKS 3.0 erfasst alle sich im Fließverkehr befindlichen Verkehrsteilnehmer. Ganz unabhängig davon, ob sie gerade eine Verkehrsordnungswidrigkeit – zum Beispiel eine Geschwindigkeitsüberschreitung –  begehen oder sich hundertprozentig an die Verkehrsregeln halten. Deshalb hat das Bundesverfassungsgericht auch festgestellt, dass diese Art der Beweisgewinnung bzw. -erhebung rechtswidrig ist.

Nun sollte man annehmen, dass Beweismittel, die überhaupt erst durch einen Verstoß gegen Verfassungsrecht erlangt werden konnten, von einem an eben dieses Recht gebundenen Gericht nicht verwertet werden dürfen. In den Vereinigten Staaten ist das auch so. In Deutschland aber nicht. Denn im Zeitpunkt der Messung, um die es in der Entscheidung des OLG Hamm ging, habe es die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum besagten Verkehrskontrollsystem noch nicht gegeben. Und deshalb habe die überwachende Verkehrsbehörde nicht wissen können, dass ihr Verhalten gegen die Verfassung verstößt. Also hat sie nicht willkürlich gehandelt. Und deshalb dürfen die Ergebnisse ihres rechtswidrigen Handelns verwendet werden, auch vor Gericht.

Wenn also der Rauschgifthändler nicht weiß, dass das Handeltreiben mit Heroin verboten ist, weil es ihm noch keiner gesagt hat, dann darf er den Gewinn aus seinen illegalen Geschäften behalten? Dummer Vergleich! Das ist doch jetzt  unsachliche Polemik! Die gehört hier nicht her. Schluss damit!

Kredit für den Chauffeur

Man kann sich schon manchmal den Kopf schüttelnd fragen: In welcher Welt leben die eigentlich? Soweit es die Richter betrifft, die für jene Entscheidung verantwortlich zeichnen, die Anlass zu dieser Frage gibt: In der Stadt der Banker; in Frankfurt am Main. Ist damit schon erklärt, wie man auf solche Ideen kommen kann?

Auf die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft hin haben die Richter des zweiten Strafsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt/M. das Urteil eines Amtsrichters aufgehoben, der von der Anordnung eines Fahrverbots abgesehen hatte. Das erstinstanzliche Urteil hatte das Amtsgericht damit begründet, dass der Betroffene aus beruflichen Gründen unbedingt auf seine Fahrerlaubnis angewiesen ist. Das macht doch nichts, dachten sich die OLG-Richter. Einem Betroffenen sei unter anderem auch zuzumuten, einen Fahrer anzustellen. Und wie soll er den mit seinem durchschnittlichen Gehalt, mit dem er die Familie ernährt, bezahlen? Na dann muss eben ein Kredit aufgenommen werden,  urteilt das OLG Frankfurt/M.

Das ist schon eine schöne Welt,  in der die Richter des OLG Frankfurt a. Main leben. Eine Welt ohne Basel II, ohne Finanzkrise, mit Vollbeschäftigung und Banken, die gern mal kurzfristig aushelfen, selbst wenn der Dispo gerade bis zum Anschlag ausgereizt sein sollte.

Vermutlich ist es sogar noch sehr viel schöner. Der vom Fahrverbot Betroffene ruft in dieser Welt bestimmt seinen Arbeitgeber an und erklärt ihm, dass er einen Monat lang im Betrieb nicht einsetzbar ist, weil er gerade mal seinen Führerschein abgeben musste. Daraufhin wird ihm von seinem Chef angeboten, sich von diesem fahren zu lassen. Nach kurzem Nachdenken korrigiert sich der Arbeitgeber aber schnell. Ihm fällt auf, dass er die Arbeit seines Angestellten ja auch gleich selbst erledigen kann. So kommt es, dass der von einem Fahrverbot Betroffene von seinem Chef mit ermunternden Worten aufgefordert wird, einfach zu Hause zu bleiben und die Zeit des Fahrverbots zur Erholung zu nutzen. Und wenn er dann nach einem oder zwei Monaten Fahrverbot wieder seine Arbeit aufnimmt, wartet auch schon eine Gehaltserhöhung auf ihn. – Oh Frankfurt am Main, Du bist so wunderbar!

AG Eilenburg nimmt Bundesverfassungsgericht beim Wort

… und stellt Verfahren gegen Temposünder ein. Dabei war die Geschwindigkeitsmessung in dem durch das Gericht zu verhandelnden Fall gar nicht mit dem Verkehrskontrollsystem (VKS) erfolgt, welches das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zu einer spektakulären Entscheidung im August des vergangenen Jahres veranlasste. Stattdessen war es der Einsatz eines Geschwindigkeitsmessgeräts des Typs ESO ES 1, welches den Amtsrichter an der Rechtmäßigkeit des Verfahrens zweifeln ließ.

Das auf Lichtschranken basierende Geschwindigkeitsmessgerät wird von der in Tettnang ansässigen Firma ESO GmbH hergestellt. In seiner Funktionsweise erblickt das AG Eilenburg bedeutsame Übereinstimmungen mit dem VKS, dessen Einsatz das BVerfG für verfassungswidrig erklärt hat, weil damit gegen das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung verstoßen wird. Denn letztlich würden auch mit dem ESO ES 1.0 verdachtsunabhängige Ermittlungsmaßnahmen durchgeführt, indem zum Zwecke der Identitätsfeststellung Lichtbilder hergestellt werden. Zwar soll die Fotoaufnahme erst ausgelöst werden, wenn das Gerät eine Geschwindigkeitsüberschreitung als Ergebnis einer Weg-Zeit-Messung festgestellt habe. Danach trifft dann aber das Gerät „die Entscheidung“, ob die Fotoauslösung erfolgt oder nicht. Ein technisches Gerät kann aber keinen Verdacht hegen.

Verdacht im Sinne von Argwohn bedeutet, Übles von jemandem zu denken. Denken aber sollte der Messbeamte, dessen Tätigkeit sich aber während des Messbetriebes in aller Regel darauf beschränkt, den Messbetrieb zu überwachen. Entscheidungen, die von einem von ihm entwickelten Verdacht abhängen, trifft er nicht.

Die Entscheidung des Richters am Amtsgericht Eilenburg ist jedenfalls konsequent. Ob sich seine Rechtsansicht auf Dauer durchsetzen wird, bleibt fraglich.

Erhöhung der Geldbuße wegen Voreintragungen?

Wer in Flensburg bereits mit Punkten belastet ist, muss im Falle einer erneuten Verkehrsordnungswidrigkeit mit einer Erhöhung der Geldbuße rechnen. Es sei denn, die Eintragung im Verkehrszentralregister war bereits zur Tilgung reif, als der neue Verstoß begangen wurde. Denn in Flensburg eingetragene Entscheidungen, die älter als zwei Jahre und auch tilgungsreif sind, dürfen bei der Ahndung eines neuen Verstoßes nicht mehr berücksichtigt werden. Dieses sogenannte Verwertungsverbot ergibt sich aus § 29 Abs.3 S. 1 StVG. Aber wie wirken sich Punkte aus, die zwar erst nach der neuen Ordnungswidrigkeit aber vor deren Ahndung tilgungsreif werden?

Maßgeblich ist der Zeitpunkt der Ahndung. Findet nach Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid eine Verhandlung vor dem Amtsgericht statt, so kommt es auf das Datum an, zu dem die Hauptverhandlung durchgeführt wird. Ist hinsichtlich der Voreintragungen bis dahin Tilgungsreife eingetreten, dürfen sie bei der Bemessung der Geldbuße nicht mehr herangezogen werden.

Es kann sich also schon aus diesem Grunde lohnen, gegen einen Bußgeldbescheid auf jeden Fall Einspruch einzulegen.