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Die stillschweigenden Absprachen von Motorradfahrern und ihre Folgen

Die Motorradsaison hat begonnen. Und inzwischen lockt auch das dazu passende Wetter auf die Straße. Für die Clubs ebenso wie für die nicht organisierten Biker ist damit auch die Zeit für Ausfahrten mit Gleichgesinnten gekommen. Gemeinsam fahren, bedeutet fast immer auch, im Pulk fahren. Dabei wird dann auch schon mal der Sicherheitsabstand unterschritten. Und wenn was passiert; wie sieht es dann mit der Haftung aus?

Darüber hatte im vergangenen Jahr das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt/Main zu entscheiden. Dem war ein Unfall vorausgegangen, bei dem ein Motorradfahrer auf einen vor ihm verabredungsgemäß im Pulk fahrenden Biker aufgefahren war. Dieser nahm dann den Auffahrenden und dessen Kraft-Haftpflichtversicherer auf Schadensersatz in Anspruch. Freiwillig zahlten die nicht. Also kam es zum Rechtsstreit, der in der Berufungsinstanz bis zum OLG Frankfurt/Main getragen wurde. Und dessen Richter gaben den Beklagten Recht.

Der klagende und der beklagte Motorradfahrer haben nämlich nach Auffassung der Gerichts einen Haftungsausschluss verabredet. Das sei zwar nicht ausdrücklich geschehen. Aber mit der Verabredung, gemeinsam im Pulk fahren zu wollen, sei zwischen den Beteiligten klar gewesen, dass die in der StVO vorgeschriebenen Sicherheitsabstände nicht eingehalten werden sollen. Damit hätten alle Fahrer in ein gesteigertes Kollisionsrisiko eingewilligt; stillschweigend. Der geschädigte Motorradfahrer ging leer aus.

Somit haben die Frankfurter Richter auf die Ausfahrten von MCs dieselben Prinzipien angewandt, die der Bundesgerichtshof (BGH) für motorsportliche Wettbewerbe entwickelt hat.

Die Dashcam kann vieles – aber darf nicht alles.

Der Streit darum, wie es zu einem Verkehrsunfall gekommen ist, beginnt häufig unmittelbar, nachdem es gekracht hat noch am Unfallort. Wer hat den Fahrstreifen gewechselt? Stand die Ampel auf Rot? War der Unfallgegner zu schnell? Oder ist der Auffahrende ausgebremst worden? Fragen, die von entscheidender Bedeutung dafür sein können, ob die bei dem Unfall entstanden Schäden vom Unfallgegner bzw. seinem Kraft-Haftpflichtversicherer auszugleichen sind. Wird der Streit darüber in einem Zivilprozess vor Gericht ausgetragen, hängt der Ausgang des Verfahrens nicht zuletzt davon ab, was sich beweisen lässt. Es gilt die Regel, dass jede Partei die für ihre Position erheblichen Tatsachen nachweisen muss. Juristen sprechen von Beweispflicht. Und von Beweisnot, wenn es der beweispflichtigen Partei nicht möglich ist, Beweis anzutreten. In Verkehrsunfallsachen ist dies häufig der Fall, wenn keine Zeugen für das Unfallgeschehen zur Verfügung stehen.

Um solcher Not im Fall der Fälle vorbeugen zu können, vertrauen immer mehr Autofahrer auf eine Dashcam. Montiert auf dem Armaturenbrett oder an der Windschutzscheibe werden diese Videokameras vor Fahrtantritt eingeschaltet, um das Verkehrsgeschehen fortwährend aufzuzeichnen. Kommt es zum Crash, darf der Besitzer solchen Zubehörs darauf hoffen, dass die Kamera auch den Unfallverlauf erfasst hat. Doch selbst, wenn die auf den Speicherchip gebannte Bildsequenz die Umstände der Kollision erkennen lässt, ist damit noch nichts gewonnen. Schon gar nicht ein sich anschließender Rechtsstreit über die Schadensersatzansprüche der Unfallbeteiligten. Denn das Gericht hat zu entscheiden, ob es die Videoaufnahme überhaupt als Beweismittel akzeptiert. Eine gesetzliche Regelung in der Zivilprozessordnung (ZPO) gibt es zu dieser Frage nicht. Und die Rechtsprechung steht der Verwertung von Videoaufzeichnungen, die ohne Kenntnis der abgebildeten Personen aufgenommen wurden, eher ablehnend gegenüber.

So auch das Landgericht Heilbronn, welches einem Kläger jüngst verwehrte, mit den Aufzeichnungen einer in seinem PKW installierten Dashcam Beweis darüber zu führen, wie es zu einem von ihm erlittenen Verkehrsunfall gekommen war. Denn Bild- und Tonaufnahmen ohne Kenntnis der Betroffenen sind rechtswidrig. Sie dürfen daher nur unter sehr strengen Voraussetzungen als Beweismittel verwertet werden. Immerhin – so führt das Gericht in seinem Urteil aus – werden durch die Aufzeichnung Grundrechte des Betroffenen berührt. Dessen aus Artikel 2 des Grundgesetzes (GG) abgeleitetes Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung wird verletzt. Zugunsten des sich ohne das Video in Beweisnot befindenden Betreibers der Kamera sind dessen Anspruch auf effektiven Rechtschutz und rechtliches Gehör in die Waagschale zu werfen. Auch dabei handelt es sich um Grundsätze, die durch unsere Verfassung geschützt werden, und die Justiz verpflichten, angebotenen Beweisen nachzugehen. Doch wessen Anliegen wiegen nun schwerer? In welche Richtung schlägt Justitias Waage aus?

Die Richter des Landgerichts Heilbronn haben darauf abgestellt, dass dem Interesse an einer lückenlosen Aufklärung des in einem Zivilprozess erheblichen Sachverhalts kein überwiegendes Gewicht beizumessen sei. Will sich eine der Parteien eines Zivilrechtsstreits eines rechtswidrig gewonnenen Beweismittels bedienen, müsse sich diese Partei – ob nun Kläger oder Beklagter – in einer besonders misslichen Lage befinden. In den Entscheidungsgründen des Urteils verweisen die Heilbronner Richter auf Urteile des Bundesgerichtshofs (BGH), der die permanente verdachtslose Videoaufzeichnung des öffentlichen Raums durch Privatpersonen allenfalls dann für zulässig erachtet, wenn beispielsweise schwerwiegenden Angriffen auf besagte Person nicht in anderer zumutbarer Weise begegnet werden könne. Solche oder ähnliche Umstände vermochte der Kläger nicht vorzutragen. Das bei dem Unfall aufgezeichnete Video wurde nicht berücksichtigt. Der Kläger, der es als Beweismittel angeboten hatte, verlor den Rechtsstreit.