Beiträge

Amtsgericht Lübben ausgebremst.

Das Amtsgericht Lübben hatte in jüngster Vergangenheit durch interessante Urteile auf sich aufmerksam gemacht. Es hatte Betroffene in Bußgeldverfahren freigesprochen, denen vorgeworfen worden war, die jeweils zulässige Höchstgeschwindigkeit überschritten zu haben. Den Vorwürfen gemeinsam war, dass sie auf Geschwindigkeitsmessungen mit einem auf der Lichtschrankentechnik basierenden Einseitensensor des Typs eso ES 3.0 gestützt wurden. Das Amtsgericht Lübben sah die damit erzielten Messergebnisse als nicht verwertbar an, wenn entgegen der Gebrauchsanweisung des Herstellers auf den Tatfotos die Fotolinie nicht erkennbar war, und somit Zweifel daran angebracht waren, dass es sich bei dem abgebildeten Fahrzeug auch um das tatsächlich gemessene handelt.

Gegen die freisprechenden Urteile ist die Staatsanwaltschaft in die Rechsbeschwerde gegangen. Das in der Rechtsbeschwerdeinstanz zuständige Oberlandesgericht (OLG) Brandenburg hat nun jüngst eines dieser besagten Urteile aufgehoben. Die Oberrichter haben dem Amtsgericht zwar zugestanden, dass sich infolge des Fehlens der Fotolinie auf dem Tatfoto der Verdacht einer fehlerhaften Zuordnung aufdrängen durfte. Ein solcher Verdacht hätte  aber nicht gleich zum Freispruch führen dürfen. Er hätte dem Amtsgericht allerdings Anlass geben müssen, zunächst einmal das Gutachten eines Sachverständigen zu der Frage in Auftrag zu geben, ob das Messergebnis zumindest mit größeren Sicherheitsabschlägen verwertbar ist.

Nach der Entscheidung des OLG Brandenburg stellt sich wieder einmal mehr im Leben die Frage, ob das Glas nun halb leer oder halb voll ist. Immerhin enthält die Beschlussbegründung doch einen für die Verteidigung in solchen Fällen bedeutsamen Hinweis: Wird der Verlauf der Fotolinie nicht dokumentiert, rechtfertigt dies Zweifel an der Ordnungsgemäßheit der Messung mit dem Einseitensensor, über die das Amtsgericht wiederum auch nicht ohne Weiteres hinweg gehen darf. Die berechtigten Zweifel können nur durch das Gutachten eines Sachverständigen ausgeräumt werden. Einem darauf abzielenden Beweisantrag des Verteidigers wird also unter Verweis auf die Entscheidung des OLG Brandenburg in Zukunft nachzugehen sein.

Bundesverfassungsgericht hält weiter gegen!

Mittlerweile zum dritten Mal sieht sich das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) veranlasst, in Sachen „Blutentnahme beim Verdacht auf Trunkenheitsfahrt“ auf die Einhaltung des Gesetzes zu pochen. Trotz der grundlegenden und eindeutigen Entscheidungen der Verfassungshüter aus den Jahren 2007 und 2008 hat die polizeiliche Praxis kaum eine den Vorgaben des BVerfG gerecht werdende Änderung erfahren. Land auf Land ab ordnen Polizeibeamte nach wie vor wegen angeblicher Gefahr im Verzuge Blutentnahmen gegenüber wegen einer Trunkenheitsfahrt verdächtigen Fahrzeugführern an, ohne sich zuvor um eine richterliche Anordnung zumindest bemüht zu haben.

Die Umgehung des gesetzlich geregelten Richtervorbehalts (§ 81 a Abs. 1 StPO) wird häufig damit gerechtfertigt, dass außerhalb der üblichen Dienstzeiten der Gerichte so wie so kein Richter zu erreichen sei, dem die Frage, ob eine Blutentnahme durchgeführt werden darf, vorgelegt werden könne. Mit dieser Begründung wird dann immer wieder darauf verzichtet, auch nur einen entsprechenden Versuch zu unternehmen. Das Bundesverfassungsgericht beanstandet in seiner jüngsten Entscheidung, dass gar nicht erst geklärt wird, ob tatsächlich kein Richter zu erreichen war, bevor die Anweisung eines Staatsanwaltes eingeholt wurde.

Damit stellt sich das BVerfG gegen eine Entscheidung des Oberlandesgericht (OLG) Brandenburg, welches die Auffassung vertritt, dass das Gesetz eine solche stufenweise Vorgehensweise nicht verlangen würde. Die Verfassungsrichter gehen sogar noch weiter. Die Umstände, auf die die Polizei ihre Annahme stützt, der mit der Einschaltung  eines Richters verbundene zeitliche Aufwand gefährde den Untersuchungszweck, müssen in der Ermittlungsakte überprüfbar dokumentiert werden.

Die Auseinandersetzung um die richtige Anwendung des Gesetzes geht mit der jüngsten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in die nächste Runde. Den Betroffenen ist zu raten, einer Anordnung der Blutentnahme durch Polizei oder Staatsanwaltschaft zu widersprechen und keine Einwilligung zu erklären. Dazu ist es nicht erforderlich, sich der Maßnahme zu widersetzen. Beugt sich der Betroffene der Androhung körperlichen Zwangs, bleibt der zuvor erklärte Widerspruch dennoch wirksam. Blaue Flecke und eine Anzeige wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte sollten nicht riskiert werden.

Anordnung eines Fahrverbots aufgehoben

Der Autofahrer hatte nicht bestritten, auf der BAB um 41 km/h schneller, als es erlaubt war, unterwegs gewesen zu sein. Gegen das mit Bußgeldbescheid angeordnete Fahrverbot von einem Monat wehrte er sich mit der Begründung, er habe die Beschilderung übersehen, mit der die zulässige Höchstgeschwindigkeit beschränkt worden war. Für ein Absehen vom Regelfahrverbot sah das Amtsgericht keinen Grund. Das Oberlandesgericht (OLG) Brandenburg schon.

Das Amtsgericht hatte in dem mit der Rechtsbeschwerde angegriffenen Urteil feststellen können, dass die die Höchstgeschwindigkeit beschränkenden Verkehrszeichen rechts und links der Fahrbahn gestanden hatten; aber wohl nur einmal bevor es blitzte. Unwiderlegt hatte sich der Betroffene dahin gehend eingelassen, sich während der Fahrt mit Insassen des von ihm geführten PKW unterhalten zu haben und dadurch beim Passieren der beidseitigen Beschilderung abgelenkt gewesen zu sein.

Das OLG hat in seiner auf die Rechtsbeschwerde des Autofahrers ergangenen Entscheidung dem Amtsgericht zwar insoweit zugestimmt, dass grundsätzlich zu erwarten sei, dass Verkehrszeichen beachtet werden. Und die Unaufmerksamkeit eines Fahrzeugführers diesen nicht grundsätzlich vor der Anordnung eines Fahrverbots schützen kann. Aber: Für die Feststellung einer groben Pflichtwidrigkeit kommt es in Fällen wie diesen nicht auf die Höhe der Geschwindigkeitsüberschreitung sondern auf das Maß der Fehlleistung, die gerade darin bestand, der Beschilderung nicht die nötige Aufmerksamkeit zu widmen.

Und weil das Amtsgericht dazu nun gerade gar keine Feststellungen getroffen hatte, wurde sein Urteil, mit dem es gegen den Betroffenen ein Fahrverbot angeordnet hatte, aufgehoben.