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„Ich könnte kotzen.“

Könnte könnte nicht reichen. Man müsste schon müssen; also kotzen. Dass dann auch wirklich gekotzt wird, ist nicht unbedingt erforderlich, wenn ein Strafrichter zu einem Schuldspruch wegen Körperverletzung gelangen soll – oder sollte. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) im August dieses Jahres noch einmal klargestellt.

Anlass für diese Klarstellung bot der Fall eines Kriminalbeamten, der nach einem Angriff auf seine Ehre starke Ekelgefühle und Brechreiz empfunden hatte. Das Ungemach rührte nicht etwa von der Beschimpfung durch den späteren Angeklagten als „Arschloch“ und „Wichser“ her. Eklig wurde es für den Kriminalhauptkommissar erst, als ihm das polizeiliche Gegenüber ins Gesicht spuckte. Die Vorinstanz verurteilte den Angeklagten nicht nur wegen Beleidigung sondern auch wegen Körperverletzung. Dem BGH wurde der Fall zur Revision vorgelegt. Dieser zitiert sich gern selbst und brachte so im Rückgriff auf aus dem eigenen Hause stammende Entscheidungen in Erinnerung, dass „eine körperliche Misshandlung jede üble, unangemessene Behandlung bedeutet, die das körperliche Wohlbefinden nicht nur unerheblich beeinträchtigt.“

Und weil die Beeinträchtigung des Wohlbefindens eine Erhebliche sein muss, um von einer Körperverletzung im strafrechtlichen Sinne sprechen zu können, reicht die bloße Erregung von Ekelgefühlen nicht aus. Hingegen kann das Hervorrufen eines Brechreizes den Straftatbestand der Körperverletzung sehr wohl erfüllen. Womit einmal mehr belegt ist, dass die Grenzen im Strafrecht zwischen Freispruch und Schuldspruch bisweilen sehr dünn sind. Und gelegentlich kommt ihre Fragilität im Vergleich von Aussagen zum Ausdruck wie „Ich fand es so ekelig; ich hätte mich übergeben können.“ vs. „Mir war so übel; beinahe hätte ich mich übergeben.“ Ist das nicht zum …?

Amtsgericht Parchim

Wer in Notwehr eine Körperverletzung begeht, handelt nicht rechtswidrig und macht sich deswegen auch nicht strafbar. Notwehr ist nach dem Wortlaut des Strafgesetzbuches (StGB) jene Handlung, die geeignet und erforderlich ist, einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff gegen sich oder einen Dritten abzuwehren. Was in der Sprache des Gesetzgebers so einfach klingt, bereitet in der Praxis des Strafverteidigers häufig nicht unerhebliche Schwierigkeiten. Insbesondere dann, wenn die Angreifer  gegenüber der Polizei ihre eigene schändliche Tat in Abrede stellen. Und ihrerseits behaupten, Opfer einer Körperverletzung geworden zu sein, ohne dafür einen rechtfertigenden Grund geliefert zu haben. So geschehen einem meiner Mandanten in einer Discothek in MV.

Dieser sah sich unvermittelt von drei Streithähnen umringt, die ihm nicht nur schon bedrohlich nahe gekommen waren, sondern auch Hand angelegt hatten, um ihn niederzuringen. Ohne Erfolg. Beeindruckt von heftiger Gegenwehr nahmen die Angreifer nicht nur Abstand von ihrem Vorhaben sondern eben auch von meinem Mandanten. Bilanz auf Seiten der Angreifer: Ein gebrochenes Nasenbein. Nachdem dieses in einem nahe gelegenen Krankenhaus wieder in Form gebracht worden war, wurde vom Verletzten die örtliche Polizeiwache aufgesucht und Anzeige erstattet.

Gestern wurde über den gegen meinen Mandanten durch die Staatsanwaltschaft erhobenen Vorwurf der Körperverletzung in strafgerichtlicher Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht verhandelt. Während mein Mandant auf der Anklagebank Platz zu nehmen hatte, betraten seine Angreifer den Gerichtssaal als Zeugen und wurden vernommen. Wie es solche Beweislagen erfordern, sehr ausgiebig. Zu jedem Detail. Mochte es zunächst auch noch so bedeutungslos erscheinen. Und am Ende mit Erfolg: Das Verfahren gegen meinen Mandanten wurde ohne jegliche Auflagen auf Kosten der Landeskasse eingestellt.